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Mit der Blockchain die Schweiz demokratisieren

Ein Gastbeitrag von Daniel Holler und Vinzenz Leutenegger
06.06.2019

Kann Blockchain-Technologie die Schweizer Demokratie erweitern? Dieser Frage gingen wir im Rahmen unseres Abschlussprojektes an der Zürcher Hochschule der Künste intensiv nach und fühlten dabei der direkten Demokratie auf den Zahn.

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Das Ergebnis unserer Arbeit ist eine Blockchain basierte Plattform namens votetandem.org, über die Eingewanderte, Minderjährige und alle weiteren ohne Wahlrecht in der Schweiz direkt an Abstimmungen und Wahlen teilnehmen können. Auf diese Weise macht votetandem.org zugleich auf die Realität der Demokratie aufmerksam: Rund ein Viertel der Schweizer Bevölkerung darf an Abstimmungen und Wahlen nicht teilnehmen und hat somit keine politischen Rechte in dem Land, wo sie wohnt. Dazu zählen alle eingewanderten Menschen ohne Schweizer Staatsbürgerschaft, Minderjährige aber auch geistig Beeinträchtigte. Gerade viele Jugendliche, die derzeit durch die Climate Strike Demos politisch sehr aktiv geworden sind, können in der Tat noch nicht formal an politischen Entscheidungen teilnehmen. Zusätzlich leben wir in der Schweiz in einer direkten Demokratie, in der die Wahlbeteiligung nur bei ca. 50% liegt.

Aus unserer Sicht bedeutet das, dass das politische System der Schweiz gleichzeitig eine Knappheit und einen Überschuss an Stimmen vereint. Viele der Stimmen, die regelmässig im Altpapier landen, könnten an jene weitergegeben werden, welche keine Stimme im politischen System haben. Diese Kombination aus Bedürfnis zu wählen und das Angebot nicht eingelöster Stimmzettel, hat uns deshalb dazu motiviert, votetandem.org zu gründen. Über die letzten Monate haben wir an einer Plattform geforscht, wo Schweizer Stimmberechtigte ihre Wahl- und Abstimmzettel an jene Menschen weitergeben können, die keine haben. Dazu werden Treffen arrangiert, wo genau diese beiden Parteien aufeinandertreffen, um gemeinsam die Abstimmungsunterlagen auszufüllen.

Der zwischenmenschliche Austausch beim Treffen ist ein besonders wichtiger Aspekt von votetandem.org. Das unmittelbare Zusammentreffen soll die Teilnehmenden dazu animieren, über die entsprechende Initiative, das Referendum oder die Wahlen zu diskutieren, bevor der Stimmzettel von der stimmberechtigten Person ausgefüllt wird. Die Plattform ist daher so konzipiert, dass die Stimme nicht bloss weitergegeben wird, sondern im Idealfall ein Dialog entsteht. Während dem Arbeitsprozess sind wir auch auf Gegenwind gestossen. Vor allem die Frage, ob diese Plattform legal sei, wurde uns ständig gestellt. Indem wir spezifizieren, dass die stimmberechtigte Person den Stimmzettel ausfüllen muss und dabei auch keine Verpflichtungen hat, sehen wir hier auch keinen Grund zur Beunruhigung. Im Endeffekt vernetzen wir Personen über die Webseite und eine Meinung kann im Gespräch gebildet werden.

Eine wichtige Rolle spielt die Blockchain-Technologie im Back-End der Plattform. Die Blockchain hilft uns, dass gegebenenfalls die Behörden unsere Plattform nicht offline nehmen können. Ist der Smart Contract, über den die Plattform läuft, einmal online, ist es unmöglich ihn abzustellen. Darüber hinaus erlaubt die Blockchain-Implementation, dass jede Anmeldung und jede Transaktion völlig transparent einsehbar ist. Ausserdem kann niemand den Quellcode und die Daten manipulieren oder kontrollieren. Zudem ist votetandem.org nicht auf eine private Infrastruktur wie zum Beispiel einen zentralisierten Server einer Firma angewiesen.

Mit MetaMask, der Browser-Erweiterung mit der man mit Smart Contracts interagieren kann, meldet man sich auf app.votetandem.org an und wählt aus, ob man eine Stimme spenden oder erhalten will. Wenn man eine Stimme spendet, spezifiziert man Ort, Datum und Uhrzeit für ein Treffen. Nun ist die Stimme veröffentlicht und sichtbar für die stimmsuchende Person. Diese wählt von den aufgelisteten Stimmen eine aus, und trifft sich anschliessend zum Diskutieren. Nachdem der Stimmzettel im Treffen ausgefüllt wurde, muss die Übereinkunft am Ende nochmals über die Blockchain bestätigt werden.

Die Blockchain-Plattform votetandem.org soll vor allem eine öffentliche Diskussion zum Thema Wahlrecht in der Schweiz entfachen. Wir möchten erreichen, dass ausgeschlossene Menschen am politischen Geschehen mitbestimmen können und so aktiv einem Demokratiedefizit entgegensteuern. Der Quellcode der Plattform wird frei zur Verfügung gestellt, so kann jede Person votetandem.org auf dem eigenen Computer laufen lassen. Das Projekt spricht ein reales Problem an und strebt im Rahmen der gegebenen Tatsachen Lösungen an, welche langfristig die Politik zu einem Umdenken veranlassen soll. Schliesslich sollte die Möglichkeit zu partizipieren nicht an der Gunst der Mitbürger*innen hängen, sondern ein Grundrecht sein, das allen zusteht. Die Plattform soll deshalb auch bei den nächsten Parlamentswahlen im Oktober 2019 eine Rolle spielen. Zum ersten Mal in der Schweiz werden Menschen ohne Stimmrecht somit die Möglichkeit haben an der Wahl teilzuhnehmen.

Das Projekt wird noch bis zum 21. Juni 2019 an der Diplomausstellung der ZhdK gezeigt.

@votetandem

https://votetandem.org

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